Textproben
Rattenklage
Die Ratten – so im Allgemeinen –
sind bei den Menschen nicht beliebt,
weil sie gemein und dreckig scheinen.
Die kreischen schon, wenn man nur piept.
Ich komm aus Hameln, einer Stadt,
die dank der Sage jeder kennt,
doch sonst nicht viel zu bieten hat,
auch keinen Flöter mit Talent.
Dort lebe ich – nicht ungewöhnlich
in dem Kanalnetz gut getarnt.
In Hameln wird noch unversöhnlich
vor Ratten wie vor Pest gewarnt.
Was tat ich denn, ich arme Ratte,
ich wollte leben, fromm und frei
und wenn ich nichts zu schaffen hatte,
saß ich im Gottesdienst dabei.
Ich faltete die Rattenpfoten
und lauschte demutsvoll und still.
Hier waren Ratten nicht verboten,
weil Gott zu jedem kommen will.
So dachte ich, ich dumme Ratte,
denn was geschah am Sonntag jetzt?
Die Frau, die mich gesehen hatte,
schrie wie am Spieß und war entsetzt.
Ich hetzte eilig in den Schatten,
das Leben fand ich nicht gerecht!
Was machte man uns arme Ratten,
noch in der Kirche bös und schlecht.
So huschte ich am Montagmorgen
durch einen Schulflur ohne Arg,
um mir ein Stückchen Brot zu borgen.
Was dann geschah, war wirklich stark.
Die Kinder fingen an zu kreischen
und rannten fort in wilder Flucht.
Das kann ich wirklich nicht begreifen,
was hab ich Schlimmes denn versucht?
Heut morgen kroch ich durch die Rohre
zu Fräulein Meier in Stock drei.
Sie machte gerade in Amore,
- im Bett sah ich zumindest zwei.
Ich wollte nur ganz harmlos gucken,
denn das war schließlich interessant,
doch statt auch weiterhin zu zucken,
nahm sie ihr Kissen in die Hand …
… und schleuderte es voller Ekel,
nach mir der Ratte, arm und klein,
Ja, bin ich denn ein Menetekel?
So schlimm kann ich doch gar nicht sein?
Frau Berg zum 60.
60 Jahre, kaum zu fassen,
wie die Zeit so schnell verrinnt.
Darum sag ich : „Hoch die Tassen!
Auf unser Geburtstagskind!“
So ein ganzes langes Leben
reduziert auf ein Gedicht,
doch ich will mein Bestes geben.
Langweilen will ich euch nicht.
Kleinkindzeit und Grundschuljahre
waren nicht spektakulär.
Später trugst du lange Haare
und warst mäßig pubertär.
Ehrgeiz hat dich nicht getrieben,
Schule war mehr bloße Pflicht
und du machtest nach Belieben
Hausaufgaben - oder nicht.
Zwischen zwanzig dann und dreißig
hast in Aachen du studiert,
warst im Lehramt äußerst fleißig,
hast als Azubi brilliert.
In der folgenden Dekade
war dein Leben voll Aktion
und der Griechen-Eskapade
folgte bald darauf dein Sohn.
Auch ein Partner ward gefunden
und ein Haus sogar gebaut.
Klar, du lagst nicht viele Stunden
müßig auf der faulen Haut.
Dann mit zweiundvierzig Lenzen
war das Liebesglück vorbei.
Doch nach starken Turbulenzen
stieß der Wilfried auf euch zwei.
50 wurdest du ganz lässig
und am Tag sogar getraut.
War dein Schul-Job auch oft stressig,
hast du stets nach vorn geschaut.
Alles hat sich gut entfaltet,
Sohn und Haus in Griechenland.
Und du hast dein Glück gestaltet
mit dem Wilfried Hand in Hand.
Also bleibt mir nur zu sagen:
„Weiter so mit voller Kraft!
Trau dich Neues noch zu wagen!
Du hast wirklich viel geschafft!“
60 Jahre, kaum zu fassen,
wie die Zeit so schnell verrinnt.
Darum sag ich: „Hoch die Tassen!
Auf unser Geburtstagskind!“